Tabuthema „Stoma“ betrifft immer mehr Junge
(Bericht in den Flachgauer Nachrichten / Oktober 2024)
(Bericht in den Flachgauer Nachrichten / Oktober 2024)
Auch Hans Rainer Offenhuber wusste vor seiner Operation nicht, was Stoma bedeutet. Nun lebt er seit 12 Jahren mit einem „Seitenausgang“. Hans Rainer Offenhuber ist viel beschäftigter Obmann und Leiter der STOMA-Selbsthilfegruppe.
Stoma, was ist das? Das dachte sich auch Hans Rainer Offenhuber. Lange Zeit hatte er keine Ahnung – doch das sollte sich ändern. Der Hallwanger hatte 2012 leichte Probleme mit dem Stuhlgang, ging zum Arzt, bekam Tabletten verschrieben. „Es änderte sich nicht, so wurde ich zur Coloskopie und Gastroskopie geladen“, sagt der 69-Jährige. Drei Tage nach der Entlassung aus dem Krankenhaus kam der Anruf: „Sie haben Darmkrebs.“ Hans Rainer Offenhuber „fiel erst in ein Loch. Meine Mutter ist mit 53 Jahren an Brustkrebs gestorben. Das Wort Krebs löste leichte Panik aus“.
Nach diversen Untersuchungen im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder erfolgte nach fünf Wochen die Operation. „Einen Tag davor habe ich das Wort ,Stoma‘ zum ersten Mal gehört.“ Im Oktober entfernten die Chirurgen in einer neunstündigen Operation das befallene Gewebe im Darm. Der Eingriff ist gut verlaufen, doch das Stoma, die künstliche Öffnung, der „Seitenausgang“ zum Darm, bleibt für immer. „Mit dieser Offenbarung ist es mir nicht schlecht gegangen. Ich hab es zur Kenntnis genommen.“ Die Chemotherapie bis Ende April 2013 verlief mit kaum Nebenwirkungen. „Ich bin während der Chemo auch schon wieder arbeiten gegangen“, sagt der damals selbstständige Versicherungsagent.
Neu für ihn war der Umgang mit dem Stoma-Beutel. „Ich habe einen zum Ausstreifen“, sagt er. Wenn der Stuhl im Beutel landet, sucht er sobald wie möglich eine Toilette auf. „Man spürt keinen Drang zur Entleerung, und man spürt nur die Beule im Beutel, der auf der linken Seite beim Darmausgang befestigt ist.“ Mit dem integrierten Kohlefilter kommt es auch zu keiner Geruchsbelästigung. Schon bald wurde der Umgang mit dem Beutel für den Pensionisten „ganz normal. Nur psychisch war ich erst nicht so auf der Höhe“. Seine Frau Anita lernte im Ort eine Frau kennen, deren Mann auch ein Stoma hat. Sie erzählte von der Selbsthilfegruppe. „Erst wollte ich gar nicht zum Treffen mitfahren, doch nach einer Diskussion stimmte ich mit ärgstem Widerwillen zu.“
Dort wurde er von den 15 bis 20 Personen sofort super aufgenommen, und der Bann war gebrochen. „Beim Heimfahren wusste ich, dass das auch was für mich ist.“ So hat Hans Rainer Offenhuber in den vergangenen elf Jahren nur drei Treffen versäumt. 2019 übernahm er als Leiter die Stoma-Selbsthilfegruppe für Salzburg von seiner Vorgängerin Hermine Aichberger. „Das ist etwas Sinnvolles, und ich hatte Zeit in der Pension.“
Größte Selbsthilfegruppe in Österreich
Die Zahl der Stomabetroffenen in Österreich ist groß. Sie werden auf 15.000 bis 18.000 Personen geschätzt. „Die Jungen werden mehr als weniger. Sie leiden mehr an Darmerkrankungen. Es gibt auch Babys mit einem Ausgang von Geburt an.“ Gewohnt, offen mit Menschen umzugehen, ist er mit Leib und Seele für alle Stoma-Betroffenen da. Unsere Selbsthilfegruppe in der Stadt ist gewaltig gewachsen, wir haben zwischen 40 und 45 Leute und sind somit die größte Gruppe Österreichs. Mit seinem „super Team“ organisiert er Weihnachtsfeiern und Tagesausflüge, wie z. B. an den Achensee.
„Wir möchten das Leben für Stoma-Patientinnen und -Patienten erleichtern. Viele glauben erst, sie kommen aus ihren vier Wänden gar nicht mehr raus.“ Abwechslungsreich und informativ sind die Gruppentreffen, zu denen Ärzte, Vertreter von Sanitätshäusern, Kontinenz- und Stomaberater/-innen eingeladen sind. Wichtig ist der Erfahrungsaustausch. Viele Fragen, die nur unter Gleichbetroffenen besprochen werden, werden hier im kleinen Kreis beantwortet. „Viele wissen nicht, dass man 50 % behindert ist, wenn man Stoma hat. Wir helfen bei der Erlangung eines Behindertenausweises und des sogenannten Euro-Key-Schlüssels, mit dem man sämtliche Behinderten-WCs in ganz Europa öffnen kann.
Seit heuer ist der Hallwanger Obmann des Dachverbandes Selbsthilfe Salzburg sowie Leiter des österreichischen Ilco, Stoma-Dachverbandes mit gesamt 18 Selbsthilfegruppen. „Mein Ziel ist es, in ganz Österreich weitere Gruppen zu gründen. Die Arbeit ist zwar ein Zeitaufwand, aber ich mache sie gern.“ Zum Ausgleich ist er gerne mit seiner Frau Anita auf Urlaub in Kroatien oder bei den Seefestspielen in Mörbisch. Der leidenschaftliche Koch und Bäcker fertigt mit Liebe Biskuitrouladen und pünktlich zum Advent Weihnachtskekse für den Hausgebrauch.
Arten von Stoma
Bei Darmkrebs, Ausgang beim Darmausgang (Colostomie); bei chronischen Krankheiten, wie z. B. Morbus Crohn, beim Dünndarm (Ileostomie) und nach Blasenkrebs ein Ausgang bei der Blase (Urostomie). Die Treffen finden sechs Mal im Jahr in Itzling, im Heim der Volkshilfe, in der Kirchenstraße statt. Nächster Termin: 23. Oktober 16 Uhr. In Zell am See leitet Siegfried Buchner im Tauernklinikum nächstes Mal am 22. Oktober, 16 Uhr, die Gruppe und im Pongau Martina Salchegger im Haus Luise, Krankenhaus Schwarzach. Termin: 7. November, 16 Uhr. Das erste Gruppentreffen im Lungau für den Bezirk und Murau wird am 31. Oktober im Krankenhaus Tamsweg, 16 Uhr, stattfinden.